Dienstag, 9. Dezember 2014

DBC Pierre: Die letzte Party vor dem Untergang

Bereits im letzten Jahr erschienen, doch von der Kritik zu Unrecht übersehen, ist „Licht aus im Wunderland“, der dritte Roman des Booker-Preisträgers DBC Pierre.

In Australien geboren und in Mexiko aufgewachsen, versuchte sich der Schriftsteller zunächst als Filmemacher. Anhaltende Erfolglosigkeit, massiver Drogenkonsum und ein riesiger Schuldenberg führten jedoch zum Zusammenbruch mit Ende 20, gefolgt von Drogenentzug, psychiatrischer Therapie und Arbeitslosigkeit. Das Akronym DBC – das für „Dirty but Clean“ steht – gab sich der vor gut 50 Jahren als Peter Finlay in Australien geborene Schriftsteller, nachdem er mit 37 Jahren schließlich seine Drogensucht überwand. Seine literarische Tätigkeit ist insofern auch ein Stück weit Therapie.

Das entfernt autobiografische „Licht aus im Wunderland“ ist nun nicht weniger als ein Abgesang auf den Kapitalismus, der sich in dem Roman von seiner dekadenten, hedonistischen Seite, aber durchaus auch mit Witz zeigt. Gabriel Brockwell, der 25-jährige Protagonist des Romans, ist Engländer, links sozialisiert, dem Rausch nicht abgeneigt und von seinem Leben reichlich desillusioniert. Er beschließt, noch einmal in den Limbus zu gehen, sprich: die Synapsen mit allerlei Genussmitteln tanzen zu lassen, einen „letzten, mutwilligen Sprung in die Besinnungslosigkeit” zu wagen. Um sich dann endgültig von dieser trostlosen Welt zu verabschieden. In Berlin – wo sonst?

Nach seinem Ausbruch aus einer englischen Drogenklinik begibt sich der Protagonist auf eine besinnungslose, letzte Flucht, die ihn zu seinem Jugendfreund Smuts führt. Der arbeitet als Sternekoch in Tokio, wo er in regem Kontakt zur Unterwelt steht. Als er einem Yakuza-Chef giftigen Kugelfisch zubereitet, geht allerdings etwas schief. Und Smuts Schicksal liegt plötzlich in Gabriels Händen. Eine apokalyptische Endzeitparty auf dem Berliner Tempelhof-Gelände, die alles Dagewesene in den Schatten stellen soll, könnte seinen Freund noch retten – wenn Gabriel nicht bluffen würde, was seine angeblichen hochkarätigenVerbindungen ins Berliner Nachtleben angehen würde. In Wahrheit hat er die Stadt nämlich seit Ende der 80er nicht mehr gesehen. Und nur den Namen einer Lokalität im Kopf, die schon lange nicht mehr existiert. Sein Rettungs-Trip nach Berlin, die den größten Teil der Geschichte einnimmt, wird zu einem Wiedersehen mit einer Vergangenheit, die es nie gab.

Das ergibt in der Summe eine so absurd-komische wie gesellschaftskritische Geschichte, die einen erzählerischen Sog entwickelt, der sie viel kürzer erscheinen lässt, als es die 384 Seiten vermuten lassen. In stilistisch teilweise brillanten Worten beschreibt DBC Pierre eine Welt, in der nur noch die Entgrenzung Sinn verspricht, und selbst die einen am Ende verrät. „Der Profit hat das Spiel gewonnen, dabei aber wie ein Infekt seinen Wirt getötet“, schreibt DBC Pierre an einer Stelle des Buches. Das erinnert stellenweise an den genialen David Foster Wallace – ohne jedoch vergleichsweise sperrig, detail- und fußnotenversessen zu sein. „Licht aus im Wunderland“ schillert kurzweilig zwischen persönlich-tragischer Allegorie, Berlin-Roman und Kapitalismus-Satire. Uneingeschränkt empfehlenswert.

„Licht aus im Wunderland“, DBC Pierre, 384 Seiten, Taschenbuch, ISBN: 978-3746629353

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